Digitalisierungsfahrplan für KMU
Digitalisierungsprojekte sind überlebenswichtig, kompliziert und voller Hürden. Kosten können explodieren und Ziele verfehlt werden. Was können KMU tun, um trotz dieser Herausforderungen die immensen Vorteile der Digitalisierung auszuschöpfen? Unser Digitalisierungsfahrplan unterstützt Sie mit Tipps, Erfahrungen und «hands-on» Umsetzungsideen zu den wirklich wichtigen Erfolgsfaktoren.
Die 7 Schritte im Überblick
Schritt 1: Mehrwert durch Digitalisierung
Schritt 2: Anforderungen definieren
Schritt 3: Lösungswege evaluieren
Schritt 6: Schrittweise Einführung
Schritt 7: Kontinuierliche Verbesserung
Schritt 1: Mehrwert durch Digitalisierung
Die Notwendigkeit der Digitalisierung ist für KMU teilweise nur schwer greifbar. Alles dreht sich um die Frage: Welcher Mehrwert entsteht?
Bevor ein Unternehmen Digitalisierungsmassnahmen, beispielsweise in Form der Einführung einer Beratersoftware, umsetzt, muss klar sein, dass für mindestens eine interessierte Gruppe (Kunden, Mitarbeitende…) Mehrwert aus der Veränderung entsteht. Es braucht also: ein Zielbild, welches einen Mehrwert in sich trägt. Welche Verbesserungspotenziale begegnen mir am häufigsten?
- Prozesse laufen schneller ab
Beispiel: Ein Kunde erhält die Antwort auf eine Frage in weniger Zeit als zuvor. - Prozesse laufen automatisiert ab
Beispiel: Automatischer Versand von Rechnungen ersetzt händische Arbeitsschritte. - Prozesse laufen standardisiert ab
Beispiel: Projektstruktur für neues Projekt wird anhand einer Vorlage erzeugt, nicht aus dem eigenen Gedächtnis. - Medienbrüche werden abgebaut
Beispiel: Verrechenbare Leistungen werden in einem System erfasst, verrechnet und versendet. Vorher: Erfassung in Excel, Verrechnung in Word, Versand in Outlook. - Wissen wird sichtbar und suchbar gemacht
Beispiel: Verteiltes Knowhow wird zusammengeführt und damit für einen breiten Personenkreis anwendbar gemacht.
Wie kommt ein Unternehmen zu einer Sicht auf die eigenen Verbesserungspotenziale?
- Listen Sie alle wiederkehrenden Geschäftsfälle auf (Beispiele: Interessent fragt Dienstleistung an, Interessent kauft, wiederkehrende Rechnung wird erzeugt, Kunde fragt Budgetstand ab)
- Bewerten Sie die momentane Prozessqualität mit Blick auf Aufwand, Fehleranfälligkeit, Geschwindigkeit und Reproduzierbarkeit. Vergeben Sie Schulnoten, wobei die Bestnote an Prozesse vergeben wird, die kostengünstig, fehlerfrei, schnell und reproduzierbar ablaufen.
- Die vergebenen Schulnoten zeigen Ihnen an, wo Optimierungspotenzial liegen könnte.
Nun haben Sie einen ersten, groben Blick auf das Potenzial in Ihrem Unternehmen. Vielleicht können Sie sogar bereits zeitliche und monetäre Effekte erahnen.
Wichtige Fragen in diesem Schritt sind:
- Können wir den Nutzen der erkannten Optimierungspotenziale formulieren?
- Dienen die Optimierungspotenziale dem Kundennutzen?
- Können wir essentielle Optimierungen von «nice-to-have» unterscheiden?
Schritt 2: Anforderungen definieren
Hat man den Mehrwert erkannt, so müssen im nächsten Schritt Anforderungen definiert werden. Aber Achtung. Formulieren Sie die Anforderungen in Digitalisierungsprojekten nicht zu detailliert. Lassen Sie stattdessen Raum für Lösungsansätze, die Sie noch gar nicht kennen. Anforderungen, die bereits als konkrete Lösungen formuliert werden, verfehlen das Ziel. Meine Tipps für gute Anforderungen:
- Seien Sie sich bewusst, dass Anforderungen sich kontinuierlich ändern. Während eines Projekts und auch danach.
- Seien Sie offen für Lösungswege von Dienstleistern und Herstellern, die Sie in der Digitalisierung unterstützen. Anforderungen sind kein fertiges Konzept.
- Unterteilen Sie Ihre Anforderungen in Kategorien wie bspw. «must have» und «nice to have». Überlegen Sie genau, ob ein «must have» wirklich essenziell ist und ob Sie auf ein «nice to have» auch wirklich verzichten können.
- Vermeiden Sie Pflichtenhefte, wenn möglich. Starten Sie stattdessen früh mit Prototyping. Mehr dazu in einem meiner nächsten Beiträge.
Schritt 3: Lösungswege evaluieren
Mit den Anforderungen im Gepäck geht es nun auf die Suche. Folgende «Werkzeuge» helfen Ihnen dabei, eine Liste potentieller Lösungen zu erstellen.
- Im beruflichen Netzwerk nach Erfahrungen im Themengebiet fragen. Wer nutzt ein CRM, ein ERP für ähnliche Zwecke? Wer hat einen Cloud Speicher im Einsatz und kann berichten? Auch Mitarbeitende haben oft aus früheren Positionen wertvolle Erfahrungen anzubieten.
- Wenn es um Software geht: seriöse Vergleichsplattformen können helfen, einen Überblick zu liefern. Bei Bewertungen gilt, wie immer im Internet, eine gewisse Vorsicht.
- Die Suchmaschine Ihrer Wahl wird viele Optionen anbieten. Stehen die besten Lösungen immer ganz oben? Nicht zwingend.
Drei Quellen, die allen Suchenden zur Verfügung stehen. Wie geht es weiter?
Express
Sie suchen sich 3-5 relevante Optionen aus Ihren Quellen. Stechen eine oder zwei heraus? Treten Sie direkt in Kontakt mit der Firma. An Art und Geschwindigkeit der Reaktion sagen viel über ein Unternehmen. Lassen Sie sich das Produkt demonstrieren und/oder probieren Sie es aus. Bringen Sie Ihre Anforderungen mit zum Demo-Termin. So erhalten Sie schnell wertvolle Antworten.
Ausführlich
Bringen Sie Ihre Anforderungen und die gefundenen Lösungen auf eine Matrix. Versuchen Sie anhand der Produktinfos grob (!) zu bewerten, wer was erfüllen kann. Mit den potentiellen Gewinnern gehen Sie dann vor wie in der Variante Express.
Egal wie Sie vorgehen - Digitalisierung ist eine Herausforderung, die durch gute Teams gemeistert werden kann. Die Menschen auf Lieferantenseite sind oft genauso wichtig wie das eigentliche Produkt oder die Dienstleistung. Evaluieren Sie beides.
Schritt 4: Rapid Prototyping
Im nächsten Schritt des Digitalisierungsfahrplans geht es um Prototypen. Nachdem Sie aus der Flut an potentiellen Lösungen 3-5 relevante Optionen herausfiltern konnten, müssen Sie eine Entscheidung herbeiführen.
Das Ziel: die beste Lösung für die eigenen Anforderungen unter Beachtung des Budgets zu finden.
Der Weg: gar nicht so einfach
Bei Vertec machen wir seit Jahren sehr gute Erfahrungen mit der Methode Rapid Prototyping. «Ohne viel Papier zu produzieren oder sich abstrakt über die genauen Anforderungen zu unterhalten, erstellt der Anbieter mit dem Kunden zusammen einen Prototyp der zukünftigen Lösung, und zwar mithilfe des einzusetzenden Softwareprodukts selber.» So erklärt es Claudio Pietra in seinem lesenswerten Blogartikel «Prototyping statt Pflichtenhefte».
Die Vorteile der Methode:
- Man entwickelt schnell ein Gespür für Produkt und Anbieter
- Missverständnisse, die unvermeidbar sind, treten früh zutage – Fehlinvestitionen werden vermieden
- Anforderungen können anhand des Prototypen überdacht und aktualisiert werden
- Man lernt Produkt und Konfigurationsmöglichkeiten früh kennen
Gehen Sie mit der aussichtsreichsten Lösung so früh wie möglich ins Rapid Prototyping. Ersparen Sie sich jahrelange Digitalisierungsprojekte, die am Ende Ihre Anforderungen nicht abdecken.
Schritt 5: Change Management
Was darf in keinem Digitalisierungsfahrplan fehlen? Change Management. Digitalisierung ist praktisch immer Veränderung. Veränderung birgt enorme Chancen, aber auch Risiken, wie zum Beispiel
- Das Gefühl von Überforderung, speziell in Kombination mit dem «Tagesgeschäft»
- Das Gefühl von Kontrollverlust, da Prozesse nun vorgegeben und nicht mehr flexibel sind
- Unverständnis: «Brauchen wir das eigentlich? Es lief doch bisher auch.»
Werden diese durchaus verständlichen Reaktionen nicht aktiv begleitet, kommt es im schlimmsten Fall zu Ablehnung, ja sogar Sabotage der dringend nötigen Digitalisierung. Nun bin ich kein ausgewiesener Experte für Change Management. Aus Erfahrung helfen aber die folgenden Punkte, um ein gutes Fundament für Veränderungen in Ihrer Firma zu legen.
- Können Sie die Sinnhaftigkeit der Veränderung nicht vermitteln, stehen die Erfolgschancen schlecht.
- Machen Sie sich bewusst, dass der Erfolg jeder Initiative stark von der Akzeptanz im Team abhängt.
- Widerstände werden in jedem Fall kommen, seien Sie vorbereitet.
- Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation.
- Reaktionen sind kaum vorhersagbar. Halten Sie Augen und Ohren stets offen und bringen sie ein agiles mindset mit.
Schritt 6: Schrittweise Einführung
Im vorletzten Teil meines Digitalisierungsfahrplans geht es um ein Thema, das bei vielen Interessenten Verwunderung hervorruft. Man kann und darf Digitalisierung schrittweise umsetzen. Es muss nicht sofort die all-inclusive Gesamtlösung sein, die jedes letzte Problemchen löst. Das so oft zitierte Pareto-Prinzip kann uns auch hier helfen, die wirklich wichtigen Probleme anzupacken.
Mit welchen 20% der Digitalisierungsarbeit erschlagen wir 80% unserer Probleme? Oder etwas positiver betrachtet: mit welchen 20% schöpfen wir 80% Optimierungspotenzial aus?
In jedem Projekt besteht die Gefahr, dass man als Auftraggeber «zu viel» will. Noch ein feature, noch ein Prozess, noch eine neue Idee. Natürlich muss man agil arbeiten, um auch während des Projekts den Kurs ändern zu können. Wenn das Projekt dadurch aber immer grösser, länger und teurer wird, sinken die Erfolgschancen.
Meine Tipps für Ihr nächstes Digitalisierungsprojekt:
- Auf die wirklich wichtigen Anforderungen konzentrieren und diese in einer ersten Etappe umsetzen.
- Alle weiteren Anforderungen dann umsetzen, wenn der Kern der Lösung abgeschlossen und im Einsatz ist. Ewiges Verzögern ist nicht nur teuer, es beeinträchtigt auch die Motivation im Projekt.
- Stimmen Sie sich vorher mit dem Anbieter ab, ob die in einer zweiten Etappe umzusetzenden Anforderungen dann auch wirklich in gewünschter Form umgesetzt werden können.
- Überlegen, wo das «wirtschaftliche Optimum» zu finden ist. Lohnt es in der Gesamtsicht wirklich, auch die Massnahmen/Prozesse zu digitalisieren, die selten abzuwickeln sind und deren Digitalisierung unverhältnismässige Kosten produzieren würde.
- Feiern Sie erreichte Meilensteine. Entwerfen Sie eine Roadmap, die intern und ggf. auch extern den Blick auf zukünftige Etappen richtet.
Schritt 7: Kontinuierliche Verbesserungen
Es gibt keine für immer optimal bleibenden Lösungen. Dies gilt natürlich auch für die Möglichkeiten der Unterstützung durch Ihre digitalen Werkzeuge. Ohne hier tiefer in die Materie der kontinuierlichen Verbesserung einzusteigen, ein paar Punkte:
- Prüfen Sie regelmässig Ihre Prozesse und deren Umsetzung und Unterstützung durch digitale Werkzeuge auf Verbesserungsmöglichkeiten.
- Holen Sie immer wieder Feedback von Ihren Mitarbeitern ein und befähigen und motivieren Sie Ihre Mitarbeiter dazu kontinuierlich Verbesserung anzustreben und umzusetzen.
- Holen Sie immer wieder Feedback von Ihren Kunden dazu ein, wie deren Bedürfnisse und Anforderungen in ihrem Sinne besser, effizienter, erfolgreicher unterstützt werden können.
- Bleiben Sie am laufenden über die Weiterentwicklungen Ihrer digitalen Werkzeuge, womit natürlich nicht nur Sicherheitsupdates gemeint sind.
- Dort wo Ihre eigenen Möglichkeiten beschränkt sind, Ihre digitalen Werkzeuge selbst zu adaptieren, um mit den Verbesserungen Schritt halten zu können, holen Sie sich professionelle Unterstützung.
Zu allen Stationen unserer Digitalisierungsfahrplans gibt es noch viel zu sagen. Kontaktieren Sie mich gerne für Fragen rund um die Digitalisierungsschritte.